Nini's Welt

Tatsachenbericht

Nun denn – hier einige Auszüge aus dem Dasein eines PJlers. Um 7 in der Früh muss ich geschniegelt und gebügelt auf der Matte stehen, deshalb fahr ich trotz meiner sehr günstigen Verkehrsanbindung mit dem Auto. Ausserdem ist bei mir vorm Haus ja auch nur von 7 bis 18 Uhr Parkverbot, und da bin ich ja eh nicht daheim. HA! Jedenfalls – dann gibts erstmal Visite, dann Besprechung, dann evtl. OP. Falls man nicht in den OP muss, erwartet einen Stationsarbeit auf höchstem Niveau: Drainagen ziehen und Blut abnehmen. Und trotzdem ist das die beste Zeit vom Tag, sogar wenn man die elende Vene nicht trifft, weil man sich mal mit Leuten unterhalten kann, die einen nicht mit einem geringschätzigen Blick bedenken oder im rüden Ton mit einem reden. Gut, dann Aufnahmen inklusive Blutabnehmen (was sonst) und körperlicher Untersuchung. Dann muss man das ganze einem Arzt übergeben, was eine total tolle Gelegenheit für selbigen ist, einen bei der kleinsten Wissenslücke herunterzumachen. Gut. Gelegenheiten zum Runtermachen findet man auch so in Hülle und Fülle. So schleppt sich der Tag dann – allerdings kann man ja fast damit rechnen, dass man in den OP muss. Dann sieht die Stimmungsprognose auch schon nicht mehr so gut aus. Zusammengeschissenwerden bei jedem kleinen Fehler, den man vermummt bis an die Augen da am OP-Tisch macht. “Was, Sie können nicht nähen? Hat man Ihnen nicht anständig beigebracht? Ihr Problem, das ist keine Entschuldigung!” Das ist noch nett, wenn man es zu hören kriegt. Meistens wird man einfach zum Hakenhalten hingestellt in irgendeiner verdrehten Haltung und wie Luft behandelt bis zu dem Zeitpunkt, an dem etwas falsch macht. Klar! Das ist es eigentlich, was man zu meiner jetzigen Situation zusammenfassend sagen kann: Wenn etwas gut war, wird nicht gelobt – dafür wird doppelt gepöbelt, wenn man aus Unwissenheit etwas falsch macht. Es zeigt einem keiner etwas, es wird erwartet, dass man es theoretisch schon weiß und sofort anwenden kann.
Nun denn, der Tag setzt sich also aus zahlreichen meist in nicht normalem freundlichen Ton vorgetragenen Zurechtweisungen zusammen und zieht sich gegen die Oberarztvorstellung dahin, denn keine Frau kann ohne Oberarztvorstellung operiert werden. Tja, und wenn der Oberarzt im OP steht, dann dauert das so lange, bis er wieder da ist. Und das dauert meistens länger als bis 5. Also ist meine Durchschnittsarbeitszeit täglich 11 Stunden meist ohne Zwischenmahlzeiten. Um 7 heimkommen, um 6 aufstehen – nun ja, viel Freizeit bleibt da nicht mehr, da man ja auch irgendwann essen und auch manchmal das Essen einkaufen muss. Lernen soll ich nach Ansicht unserer Stationsärztin am besten auch ständig, tja und sorry, aber nach einem 11 Stunden Tag mit evtl. mehreren Stunden OP schlaf ich schon ein, wenn ich nur kurz die Augen zumache.
In 2 Wochen komme ich auf eine andere Station, und ich kann nur hoffen, dass es da nicht so frustrierend zugeht. Montag habe ich nämlich das allererste Mal während meines gesamten Studiums an meiner Berufswahl gezweifelt. So klein haben die einen da in so kurzer Zeit. Ziemlich mieses Gefühl, wenn einem kurzzeitig die Lebensperspektive entgleitet, nur weil man sich ständig verunsichern lässt. Naja, ich versuchs jetzt erstmal mit der Taktik “Augen zu und durch” – überzeugt bin ich vom Gelingen dieser Taktik schon, aber nicht mehr so sehr des Ausganges meines Studiums gewiss.
Aber – the show must go on, nicht wahr?

Mittwoch, 30. August 2006, 19:44 Uhr, abgelegt unter Allgemein.

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1 Kommentar

  1. Liebe Nini,

    großbrüderlich kann ich Dir versichern, daß das völlig normal bei all denen ist, die sich in ein Angestelltenverhältnis gleich welcher Art begeben. Halt, die Einschränkung lautet: erstmalig.
    Nägelgeschnittenbekommen, Flügelstutzen, auf den Zahn fühlen, entgrünen – nenn es wie Du willst. Da auf den Unis keine Selektion mehr stattfindet, ist der Berufseinstieg vielleicht noch die einzige Darwin’sche Hürde, die man auf dem steinigen Weg zu Ruhm und Reichtum überspringen muß. Augen zu und durch: Hier kommt der Reality-Check in Form eines Emergency-Room-Bootcamps mit schrulliger Drill-Instructorin.
    Wie gesagt: Willkommen in der Wirklichkeit – das Leben ist eben keine Stange Zimt.

    Kommentar von Martin – 05. September 2006 um 16:02

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