

Im Moment mach ich nicht so arg viel mehr als Klinik und Schlafen. Arbeiten gibts auch noch ab und zu. Jedenfalls bin ich echt nicht fürs Frühaufstehen geschaffen – egal zu welcher Uhrzeit ich ins Bett gehe – wenn ich dann vor 7 aufstehen muss, dann bin ich nicht nur morgends müde, nein auch mittags, nachmittags und abends. Ohne Unterbrechung quasi – genaugenommen fällt mir in dieser Woche kein einziger Moment ein, in dem ich nicht müde war. Nun ja.
Die Strahlenklinik, wo ich im Moment mein Dasein friste, ist für den normalsterblichen Nicht-Mediziner sicher sowas wie die Hölle – nur Leute, die bald sterben werden, Krankheit, Leid und Tod.
Frauen mit Ohren, die am Abfaulen sind, und Bakteriengeschwülste an den Lippen und im Mund, die jede Nahrungsaufnahme verhindern. Türken ohne jedes Sprachverständnis dafür aber mit Krebs im ganzen Körper und ohne Ahnung, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Alte Männer in Bestrahlungsgestelle eingespannt, mit denen keiner redet. 35 jährige Frauen, die nicht wahrhaben wollen, dass sie den nächsten Monat nicht mehr erleben werden. Klingt alles ziemlich schlimm – aber das ist alles eben so – ich kann nix dafür, dass Menschen krank werden. Ich kann nur machen, dass sie trotzdem mal lachen und für eine Sekunde ihr Leid vergessen. Und das reicht mir auch schon – mir geht das Leid nicht nach, wenn ich die Klinik verlasse.
Das Schlimme ist eigentlich das Personal – es gibt beinahe nichts an den Leuten auszusetzen – die Meisten sind wirklich nett. Aber die Routine, die dort vor allem Ärzte an den Tag legen, überschreitet meiner Ansicht nach schon die Grenze zur Gleichgültigkeit. Kein zusätzliches nettes Wort ist für einen Patienten übrig – als würde sogar ein flacher Witz die Klinik noch Geld kosten. Nene, ich wills auch gar nicht weiter auswalzen, aber das find ich ganz schlimm. Wenn man nur noch die Anwendung medizinischer Logbücher auf das “Objekt” vollzieht, dann ist man glaub ich ein Stück zu doll abgestumpft.
Ja und sonst…? Sonst gibts bei mir grad nicht. Bin grade vielleicht ein bisschen geladen, weil ich den starken Verdacht habe, dass gewisse Bekannte ein wenig den Respekt vor mir schleifen lassen, nur weils so praktisch ist, alles mitzunehmen ohne Rücksicht auf Verluste. Ich weiß, das versteht kein Mensch – ausser mir vielleicht- die betreffende Person raffts eh nicht, weil dieser Mensch einen Ego-Film fährt und dabei die falschen Leute überfährt. Das wird sich allerdings rächen.
So, jetzt geh ich mit meinen Eltern auf den Ostermarkt. Einen schönen Sonntag allerseits…
Ich war wieder lange nicht online, was nicht etwa mit ewig in der Uni verbrachter Zeit zusammenhing, sondern wiedermal – wie könnte es anders sein – mit langen Nächten. Viel Arbeit, weniger viel Party. Ausserdem war ja Weihnachten, und zwischen dem Weinglas und dem Entenbraten balanciert man ja dann auch nicht den Computer auf den Knien, um mal eben ins Internet zu gehen.
Viel ist unitechnisch bei mir nicht passiert, ich werde jetzt mal beginnen, mich auf die Chirurgie-Prüfung vorzubereiten – das ist schon fast höchste Eisenbahn. Die Doktorarbeit schleppt sich so, ich werde wohl eine Famulatur in Marburg machen in den Semesterferien, damit ich etwas mehr Zeit für den Kram habe.
Dann gibts natürlich auch erfreuliche Ereignisse – man solls ja nicht beschreien, weil das Schicksal sich dann im gleichen Augenblick im Sinne von “den Tag nicht vor dem Abend loben” gegen einen verschwören könnte, aber ich mach mir da im Moment wenig Sorgen. Ich habs tatsächlich nach langer Trockenzeit geschafft, nen Mann für mich zu begeistern, der echt mal was taugt.
So, abgesehen von diesem erfreulichen neuen Detail in meinem Leben hab ich gerade einen hässlichen neuen Freund – nämlich einen widerwärtigen Schmerz in meinem Rücken, der bestimmt eine Abart von Steffis Hals-Pestbeule ist. Die hat nämlich Pfeiffersches Drüsenfieber, und ihr wächst grad ein zweiter Kopf ausm Hals.
Mit diesem schönen Schlusssatz (pfui, ein Wort mit drei Konsonanten hintereinander) verabschiede ich mich zur wohlverdienten Ruhe.
Willkommen im neuen Jahr!
Was soll ich sagen? Es fing so richtig beschissen an. Hoffnungslose Unterbesetzung an meinem Arbeitsplatz zum einen und das Vergessen meiner Wenigkeit über mehrere Stunden auf dem Garderobenposten zum anderen taten ihr Übriges, um die Silvesternacht für mich zu einem wenig schönen Erlebnis zu machen. Aber – es kann demnach ja auch nur viel besser werden.
Jetzt hat mich offenbar ein bösartiger Keim besiedelt, bzw. meine Lymphknoten, von deren Existenz ich bisher keine Ahnung hatte. Über meinem Kehlkopf hängt ein dickes Ei, und da es wenig wahrscheinlich erscheint, dass es sich um ein tatsächliches Ei, das bei der Nahrungsaufnahme in die falsche Richtung gerutscht ist, handelt, dürfte es wohl ein Lymphknoten sein. Darüberhinaus habe ich Steffi eben auf ihr Drängen mit einer wunderschönen Braunüle versehen, die vermutlich beim Herausziehen ihre Mini-Fuzzel-Venchen ein wenig geschrottet hat. Jedenfalls läuft sie jetzt die ganze Zeit mit einem riesigen Pflaster und Kühlakku herum.
Heute haben wir auch unsere erste Bestrahlungsplanungs-CT gesehen, in der erstmals der Anal-Localizer (von unserem Doktorvater liebevoll Anal-Pöppel und von uns Anal-Schnuller genannt) zum Einsatz kam. Da das Teil leider nicht in seiner vorgesehenen Position verweilen sondern zurück gen Licht streben wollte, habe ich den latent sadistischen Vorschlag gemacht, das Teil vorne doch einfach ein bisschen dicker zu machen – damit das Teil auch dort hängen bleibt, wos hinsoll. Mal sehen, ob das jetzt so funktioniert. Nächste Woche gehts dann nämlich los mit dem Manometrieren. Das heißt, erst nachdem wir Schwester Dorothea, die heute vergeblich auf unser Erscheinen gewartet hat, mit Wein und Pralinen bestochen haben.
So, in dem Sinne – die Straußensteaks sind fertig. Adios muchachos.
Der Dezember geht so langsam zur Neige und damit auch das ganze Jahr. Klar, es ist kein wirkliches “Ende” von Irgendetwas, weil nur zufällig irgendwer irgendwann gaaaanz früher mal aus irgendeinem Grund bestimmt hat, dass 365 Tage jetzt eben ein Jahr sind. Trotzdem fühlt man sich so, als würde etwas Altes enden und die Chance für etwas Neues auftauchen – was natürlich allein die Konditionierung ist, die man von Kindesbeinen an auf diese ganzen Daten wie Silvester, Neujahr, Weihnachten und Ostern eben erfahren hat. Deshalb unterliege ich auch – wie viele andere Menschen mit mir – dem nostalgischen Irrglauben, dass zum Jahresende alles anders und selbstverständlich besser wird.
War dies ein gutes Jahr? Nun ja, dieses Jahr habe ich an anderen Menschen gesehen, wie übel einen das Leben erwischen kann – man sollte immer denken: Eigentlich geht es mir verdammt gut. Und das denke ich auch die meiste Zeit.
Klar gab es in diesem Jahr viele Tage, an denen ich einfach nur fix und fertig war und nichts weiter machen wollte, als zu heulen und mir leid zu tun. Natürlich könnte ich jetzt sagen “dieses Jahr bin ich wiedermal von Scheisshaufen zu Scheisshaufen gestolpert” – mit Sicherheit gibt es wirklich eine Menge Leute, die sich mir gegenüber nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert haben. Möglicherweise gibt es sogar einige Leute, die jetzt noch von mir aus in der Hölle schmoren sollen.
Gut, oft habe ich zuviel Herz in Dinge reingesteckt, die es einfach nicht wert oder besser gesagt nicht dazu gemacht waren, dass man sein Herz investiert. Ich steck ja auch meine Hand nicht in einen Hechsler, wenn ich vorher eigentlich schon sehe, dass es ein Hechsler ist, oder? Naja, wer auch immer an meinen häufigen Tränen schuld war – ich war zumindest selbst kein Arschloch im letzten Jahr – weder zu mir selbst noch zu sonst jemand. Dieses Jahr kam nicht mehr nach jeder Enttäuschung die Selbstzweifelkäthe zu Besuch.
Was mir sicher sehr zu Gute kommt (aber vielleicht nicht allen gefällt) ist, dass mir doch eine ganze Reihe Sachen relativ egal geworden sind, die mich früher wochenlang beschäftigt haben. Allerdings – das mit den Techteleien muss ich mir echt abgewöhnen, weil mich die Wut oder die Enttäuschung immer wieder so schwächt, dass es wohl kaum in einem Verhältnis dazu steht, was einer von denen überhaupt für mich wert sein kann. Mal abgesehen davon, dass ich mittlerweile doch entschieden zu der Meinung tendiere, dass ich keine Geringschätzung sondern Wertschätzung verdiene – wie jeder andere anständige Mensch auch – und diese sollten mir die Herren der Schöpfung in Zukunft erst einmal zollen.
Gut, also – Fazit des Jahres.
1. Ich bin zu einem meiner Ansicht nach gesundem Maße gleichgültiger geworden.
2. Die zahlreichen Enttäuschungen härten so langsam richtig gut ab.
3. Ich bin echt froh, dass ich gesund bin.
4. Die Notwendigkeit, dass ich’s mir dringend mal gut gehen lassen muss, habe ich zumindest registriert.
5. Die Zukunft rückt näher.
So. Meine bedeutendste Erkenntnis ist eine ganz banale. Der einzige Mensch, der immer bleibt, der nie verschwindet, einen verarscht oder verletzt, das ist man selbst. Und mit sich selbst muss man bis zum Ende klar kommen. Deshalb werde ich versuchen, mich 2005 vor allem auf den einen Menschen zu besinnen, der mich nie verlassen wird. Ich werde mir hoffentlich ein paar Träume erfüllen und mehr aus Freude als aus Traurigkeit weinen. Ja, so werd ichs machen.
Ich sitz hier im Hinterzimmer der Hafenspelunke, in der ich meine Liebe und Rum an die armen Seeleute verkaufen muss. Wie ihr sicher merkt, hat der Wahnsinn bereits Besitz von mir ergriffen. Nur mit Mühe kann ich die in mir aufkeimende Wut auf einem Sozial-adaptierten Level halten. Von fern klingt das dumme Geschwätz gewisser von der Natur mit einem Hohlraum statt eines Gehirns ausgestatteten Kreaturen herüber, das gerade das Valhalla der Idiotie erreicht. Wie ich es liebe, wenn Zeitgenossen aus ihren ohnehin spärlich vorhandenen Gehirnwindungen nur monoton blödsinnige sich immer wiederholende Phrasen herausdreschen können. Die alle so irre komisch finden, dass sich einem nur beim genaueren Zuhören sowas von den Magen herumdrehen, weil sie immer gleich doof sind – der selbe Wortlaut, die selbe dumme Betonung, immer die gleiche blööööööde Pointe. Ich muss gleich echt meinen Mageninhalt verlieren, weil ich sonst die unglaubliche Flachheit dieser Person nicht mehr anders ertragen kann. Schleierhaft ist mir allerdings, wie man dabei selbst glauben kann, dass man totaaaaal cool rüberkommt. Dufter Typ, echt knorke. Ich brauche wirklich bald eine Brechschale, weil ein Baseballschläger oder wahlweise ein Barhocker vermutlich keine den zivilisatorischen Grundsätzen angemessene Problemlösung darstellen würde.
Um mein mittlerweile ins Unermessliche gestiegenes Gewaltpotential im Zaum zu halten, sehe ich keine andere Möglichkeit mehr, als das Lokal zu verlassen. Sonst würde hier heute abend sicher noch eine Bluttat verübt werden.
In diesem Sinne – eine ruhige und friedliche Nacht.
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